Die „Zeitschrift für Physiotherapeuten” veröffentlichte in ihrer neuesten Ausgabe ein Interview mit PD Dr. Simon von Stengel, Physiotherapeut, Sportwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Osteoporoseforschungszentrum am Institut für Medizinische Physik der Universität Erlangen-Nürnberg.
Therapeutische Effekte von EMS
Der Einsatz von Ganzkörper-EMS (auch WB-EMS genannt) in der Therapie ist bislang noch wenig diskutiert, jedoch können durchaus auch im therapeutischen Bereich positive Effekte damit erzielt werden. Von Stengel erklärt, dass EMS-Training sehr gelenkschonend und deshalb sehr gut bei geschwächten Patienten oder bei jenen mit ruhiggestellten Gelenken anwendbar sei.
Dazu gehören Menschen mit Sarkopenie (Abbau von Muskelmasse und -kraft), Osteoporose, Diabetes, Frailty-Syndrom (Gebrechlichkeit) oder allgemein ältere Personen. Ein normales Sportprogramm schaffen diese Menschen meist gar nicht mehr. Deshalb ist EMS die optimale Alternative, die in einigen Fällen auch im Sitzen oder Liegen ausgeführt werden kann. Von Stengel weist aber darauf hin, dass die Anwendung von EMS in der Dynamik besser sei, und rät dazu, auch beim EMS-Training Bewegungen auszuführen.
EMS in der Orthopädie
Auch bei orthopädischen Krankheitsbildern erweist sich Ganzkörper-EMS als sinnvoll. Ein unveröffentlichtes Projekt, so von Stengel, befasse sich damit, ob EMS auch bei Rückenschmerzen hilfreich sei. Im Vergleich zu Personen, die gar kein Training durchführten, konnten positive Effekte auf die Schmerzintensität und Kraft bei EMS-Trainierenden verzeichnet werden. Diese Ergebnisse müssten jedoch erst noch durch weitere Forschungen bestätigt und mit konventionellen Trainingsprogrammen verglichen werden. Von Stengel betont aber auch, dass ihm EMS bei seinem Bandscheibenvorfall sehr geholfen habe:
“Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass WB-EMS bei mir geholfen hat, als ich einen Bandscheibenvorfall hatte. Sicher spielen hier verschiedene Wirkmechanismen eine Rolle, zum Beispiel die Aktivierung der Muskulatur, aber auch die Überlagerung von Schmerzreizen durch die Stromapplikation und natürlich auch Wirkungen durch eine Steigerung des Stoffwechsels und der Durchblutung. All diese Dinge müssen aber wissenschaftlich noch untersucht werden.”
Dr. Simon von Stengel
Was muss beachtet werden, wenn EMS-Training bei Patienten mit Rückenschmerzen durchgeführt werden soll?
Sind die Beschwerden akut, sollte am besten eine Stabilisation der Wirbelsäule in aufrechter Haltung in Kombination mit funktionellen Übungen angewandt werden. Um eine zu starke Kompression der Bandscheiben zu verhindern, sollten bei akuten Bandscheibenvorfällen niedrige Intensitäten verwendet werden, so von Stengel. Des Weiteren können alle Übungen durchgeführt werden, die auch ohne die elektrischen Impulse machbar sind.
Nicht die beste Wahl sei EMS-Training in Bezug auf gelenkstabilisierende und koordinative Aspekte, so von Stengel. Als Basistraining zum Muskelaufbau eignet sich EMS sehr gut, alle anderen motorischen Grundeigenschaften sollten (zusätzlich) anderweitig trainiert werden. EMS-Training wird bisher nicht von der Krankenkasse übernommen, der Patient muss diese Anwendung also selbst bezahlen.
Quelle: Zeitschrift für Physiotherapie, Ausgabe 6, Interview mit PD Dr. Simon von Stengel
Fotos: © Sebastian Authenrieth