Bleiarme. Sie lassen sich kaum anheben, um diese Zeilen zu schreiben. Ich hänge in meinem Schreibtischstuhl. Muskelkater nur eine Stunde nach dem Training. Ich dachte, ich sei fit. Gestern stemmte ich 18 Kilogramm im Fitnessstudio. Dreimal fünfzehn Wiederholungen. Zwei Stunden schwitzte ich zwischen Geräten für Bauch, Beine, Po, um eben die ein bisschen in die Heidi-Klum-Supermodel-Formen zu bringen. "Zwanzig Minuten Elektrostimulationstraining sind effektiver als zwei Stunden im Studio", sagt Stefan Vogel. Er ist Personal Trainer bei Körperformen. Mit einem Satz zerstört er mein sportliches Selbstbewusstsein. Beim EMS werden die Muskeln elektronisch stimuliert. Das soll für ein effektiveres Workout sorgen. Ein Selbsttest.
Die Ruhe vor dem Sturm
Eine Stunde bevor ich mit den Bleiarmen an meinem Tisch in der Redaktion hing: Ich betrete hochmotiviert das EMS-Studio. Sommertapete. Weiße Möbel. Kein Stepper. Keine Gewichte. So etwas braucht man anscheinend nicht beim EMS, wie es in der Kurzform heißt. Was ich weiß: Gleich werde ich unter Strom gesetzt. Was ich erwarte: Blitze, die man nur sieht, wenn man beim Baden den Föhn mit ins Wasser genommen hat.
Noch wirkt alles ziemlich ungefährlich. Ich trage hautenge Leggings – ohne Wäsche. Unter dem Bund quillt mein Oberschenkel hervor. Presswurstgefühl. Stefan Vogel schnürt mich ein. Erst eine Weste, dann Gurte um Po, Schenkel und Arme. Alles ein wenig feucht. Alles verkabelt. Durch die Kabel werden Stromimpulse in meinen Körper geleitet, die dafür sorgen, dass körpereigene Impulse verstärkt, meine Muskeln intensiv beansprucht werden. Stefan Vogel erklärt mir gleich, wieso meine zwei Stunden Fitnessstudio Pipifax gegen das EMS-Training sind. "Beim normalen Training spannst du die Muskeln nur wenige Sekunden an. Bei dreimal fünfzehn Wiederholungen vielleicht 90 Sekunden. Bei zwölf Minuten EMS sind die Muskeln sechs Minuten angespannt." Kurz verzage ich. Warum gehe ich eigentlich zwei Stunden schwitzen, wenn das einfacher geht?
Strom marsch!
Ein Schritt vor den Monitor. Fest verschnürt fühle ich mich wie in einem Supermankostüm. Oder wie Robocop. Stark, unverwundbar, Strom in meinen Adern. Trainer Stefan Vogel lacht, als ich das laut ausspreche. Vielleicht weil ich in meiner Kampfstellung – Knie gebeugt, Arme angespannt wie Klitschko, Po nach außen gereckt – eher aussehe wie ein Robofrosch. Ganz leicht kribbelt es in meinen Schenkeln. "Wie fühlt sich das an?", fragt Stefan Vogel und dreht die Rädchen noch mehr auf. Meine Schenkel zittern, ich spanne sie an. Dann der Po. "Wie fühlt sich das an?", Superwoman im Robocop-Kostüm kichert. "Kitzlig." Nach und nach kribbelt es am ganzen Körper. Atmen fällt mir schwer, denn wenn mein Bauch sich hebt, drückt er gegen die vibrierende Weste. "Bauch anspannen", rät mein Personal Trainer und schon geht es leichter. Keine gefährlichen Blitze. Kein Stromschlag. Immer im Intervall vibriert mein Körper, dann muss ich die Übungen machen. Kurze Entspannungsphase, dann wieder der Strom, die Übung. Zuerst geht Stefan Vogel einfach nur in die Knie. Ich denke an die Übungen die ich sonst im Studio auf der Matte hinlege. In die Knie gehen, wie leicht. Ganz so leicht ist das allerdings nicht, wenn die eigenen Muskeln einen Pakt mit dem Strom eingehen, um es mir so schwer wie möglich zu machen.
Die Arme nach hinten ausstrecken? Unmöglich. Ich schnaufe. Und Stefan Vogel lacht wieder. Selbst meine Bewegungen wirken nun wie die eines Roboters. Leider eher ein Wall-e als ein Robocop. Stefan Vogel trainiert selbst mit EMS. "Früher war ich immer unzufrieden mit meinen Armen. Mittlerweile sehe ich selbst endlich mal Erfolge", sagt er. Ich mustere seine Arme. Mit meinen dreimal fünfzehn Wiederholungen ist so ein Erfolg wohl nicht zu schaffen.
Irgendwo zwischen Wackelpudding und Erleichterung
Nach dem Training entschnürt Stefan Vogel mich wieder und meine Muskeln nehmen direkt einen Wackelpuddingcharakter an. Trotzdem fühle ich mich gut. Besser als nach zwei Stunden regulärem Training. "Beim Sport produziert der Körper Abfallstoffe. Ein Arzt würde dich mit Sicherheit total überrascht fragen, was du gemacht hast, wenn er dich jetzt untersuchen würde. Durch das EMS-Training baut dein Körper nämlich viel mehr Abfallstoffe ab, als üblich", erklärt Stefan Vogel. Er vergleicht die Produktion von Abfallstoffen nach einem EMS-Training mit der nach einem Marathonlauf. Wie gesund kann das sein? Kritikern würde Stefan Vogel widersprechen: "Man passt das Training auf die individuelle Situation an und wir als Trainer sind die ganze Zeit dabei, können das Training jederzeit regulieren." Begeisterung. Was also hält mich noch von meiner Topmodel-Figur fern? Das Geld. Heidi-Klum-Maße sind in meinem Studentenbudget nicht enthalten. Zwei Stunden später in der Redaktion. Langsam werden meine Beine lahm und ich beschließe, mich nicht mehr von meinem Schreibtischstuhl zu bewegen. Zum Glück hat der ja Rollen. Und um die Ecke zum Kuchen schaffe ich es damit allemal. Muss sich nur noch ein Kollege finden, der schiebt.
Mein Fazit
Ich habe Muskeln an Stellen gespürt, an denen ich vorab nie Muskelkater hatte! Wer glaubt, dass einen Gewicht rüsten, um gegen Impulse ankommen zu können, dem rate ich das Training erst einmal auszuprobieren. EMS ist eine super Lösung, um sich in kürzester Zeit auszupowern. Es macht sehr viel Spaß und man kann sicher gehen, dass man auch die entsprechenden Ziele, durch die Betreuung des Trainers erreichen wird! Sobald ich mein Studium beendet habe und voll verdiene, werde ich mir diesen Spaß auf jeden Fall öfter gönnen - Daumen hoch!
Fotos: Jennifer Wirth
Quelle: WAZ